Countdown Magazin

RC-Raketengleiter

(Pavel Miladinovic) ALS GROSSE ATTRAKTION DER MODELLRAKETEN-WELTMEISTERSCHAFT 1987 IN BELGRAD/JUGOSLAWIEN KANN MAN WOHL NEBEN DEN GROSSEN SCALE-MODELLEN DER KLASSE S7 DIE ZAHLREICHEN RC-RAKETENGLEITER ANSEHEN, DIE IN DER KLASSE S8E FLOGEN. DIE VERHÄLTNISMÄSIG HOHE ANZAHL DER TEILNEHMER UND DIE GUTEN LEISTUNGEN GE-BEN EIN GUTES BEISPIEL DAFÜR AB, DASS DIESE KLASSE IM KOMMEN IST.

Dem Laien wird sich wohl zunächst die Frage stellen, was diese Raketengleiter denn eigentlich sind. Nun, ein Blick ins internationale FAI-Reglement gibt etwas Aufschluß. Hier wird die Klasse S8E für Modellraketen ausgeschrieben, welche vertikal starten müssen und unter Ausnutzung der aerodynamischen Kräfte im stabilen Gleitflug zurückkehren. Hierbei darf sich das Modell weder teilen noch sich irgendein Teil davon trennen. Ziel ist es, in drei Durchgängen die längste Flugzeit zu erreichen, Maximalzeiten sind entsprechend festgesetzt.

Bei den Klassen S8E und S8F müssen diese Modelle ferngesteuert sein. Die Buchstaben E und F geben den Impuls des Treibsatzes an, E entspricht 40 Ns, F 80 Ns. Vorwiegend wird jedoch nur die Klasse S8E geflogen, dies zum größten Teil aufgrund der Frage der Beschaffung der Treibsätze. Aber auch für die, die keine sportlichen Ambitionen haben (mit Sicherheit der Großteil der Modellraketenflieger), sind RC-Raketengleiter eine große Herausforderung - vor allem auch für alle, die Modellflugzeuge fliegen und flogen.

Die Geschichte des ferngesteuerten Raketengleiterfluges begann Ende der sechziger Jahre, als einige Enthusiasten versuchten, Fernsteuerungen in ihre Raketengleiter einzubauen. Das größte Problem war aber das Gewicht der Servos und Empfangsanlagen, und da es zu dieser Zeit noch keine superleichten Ausstattungen gab, versuchte man sich mit selbstgebauten Einkanalanlagen zu helfen. Der erste Wettbewerb wurde dann auch 1971 in Prag veranstaltet. Die vorgeführten Modelle entpuppten sich aber bald als Boden-Boden-Geschosse, und nur einige schafften es tatsächlich, einen sauberen, wenn auch mickri-gen Flug zu demonstrieren.

Ein Anfang war jedoch geschaffen. Die Entwicklung ging weiter, und vor allem in den USA kam man zu beachtlichen Ergebnissen, gestützt auf die schon in den siebziger Jahren zur Verfügung stehenden Mini-Proportionsan-lagen. Auf internationales Podium kamen die S8E-Gleiter im Rahmen der Modellraketen-WM 1985 in Polen. Dort zeigten die Amerikaner deutlich ihre Dominanz auf diesem Gebiet, jedoch weniger wegen der verwendeten Minianlagen, sondern vielmehr wegen den überlegenen Treibsätzen, die sie benutzten. Auch auf diesem Gebiet ging die Entwicklung schneller in den USA als auf dem europäischen Kontinent voran.

Die E6P-Motoren der Amerikaner zeichneten sich vor allem durch einen niedrigeren Schub aus, hatten dafür aber eine viel längere Brenndauer als die Treibsätze der Konkurrenz. Die Entwicklung geht nun dahin, daß man in den verschiedenen Ländern, in denen sich die S8E-Flieger konzentrieren. Versuche anstellt, neue Motorenkonzeptionen zu finden. Es werden die bereits vorhandenen Treibsätze ver-ändert oder neue entwickelt. Letzteres ge-schah vor allem in der CSSR, wo man den Delta E5-0 RC-Motor, auch BISON genannt, entwickelte. Der Vorteil dieses Treibsatzes liegt vor allem in der sehr langen und variierbaren Brenndauer.

Bei einem Gesamtgewicht von gut 200 g entfallen ca. 40 g auf das Triebwerk. Es ist einleuchtend, daß man beim Bauen versucht, jedes mögliche Gramm einzusparen, ohne jedoch die Stabilität des Modells zu mindern. Eine wichtige Rolle kommt dabei der Empfangsanlage und den Servos zu, die extrem leicht sein müssen. Sehr oft verwendet werden Cannon-Servos mit einem Gewicht von nur 14 g, aber auch andere Hersteller bieten mittlerweile superleichte Servos an, wie z. B. Jamara. Zur Stromversorgung dienen Siterzellen von 50 mäh mit einem Gewicht von 16 g oder auch Akkus, die aus 9 V-Knopfzellen zusammengesetzt werden. Wenn man sein Modell auf die Marke um 200 g ab-speckt, dann sind auch Höhen um 300 m erreichbar, und das ist schon beachtlich.

Sicherlich bedarf es einiger Übung, bis man den Flug des Gleiters in den Griff bekommt. Die schwierigste Flugphase ist ohne Zweifel der Start, denn während der 10 Sekunden, in denen das Modell steigt, darf man sich keine Steuerfehler erlauben, denn bei einer Fluggeschwindigkeit von 30 m/s bleibt zum Nachsteuern recht wenig Zeit. Weiterhin ist es ein Problem, den Gleiter in 300 m Höhe sauber zu steuern, denn bei einer Spannweite von etwa 1 m sieht man nicht sehr viel vom Modell.

Die FAI-Regeln schreiben Flüge von 300, 360 und 420 s vor, wobei sich ein normaler Flug um die sechs Minuten, unabhängig von der Thermik, bewegt. Überhaupt ist die Thermiksuche interessant, denn lange Flüge sind durchaus möglich, jedoch sollte man stets die Leistung der Akkus im Auge haben, sonst macht sich auch der beste Gleiter nach gewisser Zeit selbstständig. Gestartet werden die Modelle von einem 8 mm dicken und 2 m langen Startstab. Zum Baumaterial sollte man noch ein paar Bemerkungen machen. Denn gegenüber der geläufigen Balsabauweise des Rumpfes setzen sich mehr und mehr Glas-faserkonstruktionen durch. Für die Leitwerke wird weiterhin Balsa verwendet.

Das anspruchvollste Teil des Modells ist zweifellos der Flügel, bei dessen Konstruktion vor allem vollbeplankte Rippenbauweise überwiegt, auf Holme wird verzichtet. Ein Problem ist, daß man das Profil optimal wählen muß, so daß es sowohl in der Startphase bei einer Geschwindigkeit von 30 m/s, als auch beim Gleitflug bei 3-6 m/s gute Eigenschaften aufweist. Als Bespannpapier wird Japanpapier oder sehr leichte Bügelfolie verwendet, wobei eine Papierbespannung dem Modell zusätzlich Festigkeit verleiht.

In der Bundesrepublik stellt das Motorenproblem das größte Hindernis für eine Entwicklung des RC-Modellraketenfluges dar. Zum einen werden in der BRD keine E-Treibsätze gefertigt, für einen Import bedarf es einer Zulassung durch die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), die an die 1000 DM kostet und in keinem Verhältnis zu den Absatzmöglichkeiten steht. Das wohl wichtigste Problem ist jedoch der Preis der Treibsätze, die üblicherweise auf Wettbewerben geflogen werden. Um die 12 DM kostet ein Motor, und dies macht die Raketengleiterfliegerei zu einem teuren Vergnügen. Für eine Senkung der Preise bedürfte es einer Großproduktion der Treibsätze, und diese käme nur dann in Frage, wenn genügend Nachfrage vorhanden wäre. Ein Teufelskreis also? Man wird sehen, trotzdem wäre es schade, wenn diese doch so schöne Fliegerei an solch einem Problem scheitern müßte, oder? 

(* Anm.d.Red.: In der BRD sind z.Zt. folgende Treibsätze zugelassen, die für S8 geeignet sind: Held-5000, erhältlich über die Fa. Schelter (nur gegen T2-Schein) und der E5-6 von FSI, über ESE zu haben - T1)

(aus COUNTDOWN 3/88 - Nachdruck ohne Genehmigung verboten!)

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